"Karate beginnt und endet mit Respekt". Diese erstrebenswerte Grundeinstellung spiegelt sich auch bei jedem Training in einer festgelegten Begrüßungszeremonie wieder, der eine kurze Meditation vorausgeht. Der traditionelle An- beziehungsweise Abgruß steht zu Beginn und am Ende einer Trainingseinheit und bringt zum Ausdruck, dass man allen Tainingspartnern friedlich und bescheiden begegnen will.
Beschrieben wird nun der Ablauf des Angrüßungsrituals, der Start eines jeden Kinder- und Erwachsenentrainings. Es erfolgt im Sitzen. Zunächst einmal wird die Trainingsgruppe ruhig und stellt sich den Gürtelgraden entsprechend in einer Linie gegenüber dem Trainer auf, wobei die Fußstellung geschlossen ist. Nach einer kurzen Verbeugung gehen alle in die Hocke. Beim Abknien achten wir darauf, dass wir zuerst das linke Knie und dann erst das rechte absetzen. Die tiefere Bedeutung dieser Reihenfolge stammt noch aus der Zeit der Samurai. Diese Kämpfer trugen auf ihrer linken Seite ein Langschwert mit extrem scharfer Klinge, welches im Bedarfsfall mit der rechten Hand blitzartig gezogen wurde. Wenn man beim Grüßen also zuerst das linke Knie absetzt, könnte man jederzeit die Waffe ziehen, ohne Gefahr zu laufen, sich mit dem Schwert selbst zu verletzen. Der Kniesitz, in dem wir uns nun befinden, nennt sich Sai-za. Die Hände ruhen dabei auf den Oberschenkeln und der Oberkörper soll aufrecht gehalten werden, um die Atmung nicht zu behindern. Wenn alle ihre korrekte Sitzposition eingenommen haben, gibt ein Trainer das Kommando "Mokuzo". Nun schließen alle die Augen, vertiefen sich aufs Atmen und bereiten sich innerlich auf das bevorstehende Training vor, indem sie alle Gedanken an die Freuden aber auch Probleme des Tages zurückstellen um sich ganz auf die beginnende Trainingseinheit zu konzentrieren.
Mit "Mokuzo - Yame" wird diese Meditationsphase beendet und alle öffnen wieder die Augen. Stellvertretend für die Trainingsgruppe grüßt nun das Kind mit der höchsten Graduierung die Trainer mit "Sensei ni rei". Danach verbeugen sich alle im Sitzen, dabei wird die linke Handfläche zuerst auf den Boden gelegt, dann folgt die Rechte. Die Daumen und Zeigefinger der Hände am Boden bilden ein Dreieck. Der Oberkörper wird nach vorn gebeugt, die Nasenspitze berührt kurz die Fläche innerhalb des Dreiecks.
Alle richten sich wieder auf, die Hände werden wieder auf die Oberschenkel gelegt. Die Trainer stehen zuerst auf, dann die Kinder, rechts beginnend. Zum Abschluss des Trainings wiederholt sich dieses Ritual. Nun nennt man es "Abgrüßen"!
Da es in Japan nicht üblich ist, sich gegenseitig zum Gruß die Hand zu geben, gibt es auch noch andere Begrüßungsformen, die im Stehen erfolgen. So gehört es sich für einen ernsthaften Karateka, sich kurz zu verbeugen, wenn er eine Übungsstätte (Dojo) betritt oder verlässt. Hier gilt der Gruß nicht einer einzelnen Person, sondern zeugt von Respekt für diesen besonderen Ort. Ursprünglich befanden sich solche Übungsräume nämlich in Klöstern und Tempelanlagen, die von einer ehrfurchtsvollen und bescheidenen Haltung erfüllt waren, was als Voraussetzung für jedes Lernen gilt!